
Comeback nach Verletzung – Die Rolle vom Kopf in der Reha
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Verletzungen gehören leider zum Sport dazu. Wer regelmäßig und ambitioniert trainiert, erlebt früher oder später meist einen Ausfall. Die Schwere und Dauer solcher Pausen können stark variieren: Neben strukturellen Verletzungen sorgen auch Infekte oder Überlastung für Zwangsunterbrechungen im Training. Manche dieser Auszeiten sind rasch überstanden, andere ziehen sich über Wochen oder Monate. Beides bringt den Trainingsrhythmus durcheinander und kann sich deutlich auf die Leistungsfähigkeit auswirken.
Vor allem bei schwerwiegenderen Verletzungen oder wiederkehrenden Ausfällen sollte auch der mentalen Verarbeitung ausreichend Zeit gewidmet werden.
In der sportpsychologischen Begleitung zeigt sich immer wieder: Viele Athlet:innen kommen mit der Verletzungspause zunächst überraschend gut klar. Die eigentliche Herausforderung zeigt sich oft erst beim Wiedereinstieg, wenn Belastung, eigene Erwartungen und vielleicht auch Misserfolge oder Rückschläge zurückkehren.
Die Rückkehr in den Sport wird oft in folgende Stufen unterteilt:
Während die körperliche Rückkehr meist strukturiert und gut begleitet erfolgt, ist das auf psychischer Ebene oft nicht der Fall. Die oft unterschätzte Herausforderung lassen sich in den Phasen Return to play und Return to competition finden.
Es kommt häufig zu einem mangelnden Vertrauen, welches nicht nur die verletzte Struktur (z. B. das operierte Knie) betrifft, sondern auch das gesamte Körpergefühl, die Fitness, oder den Mut in entscheidenden Situationen.
Das fehlende Vertrauen wird oft erst im Wettkampf sichtbar, obwohl man sich vorher "bereit" gefühlt hat.
Die Ausfallzeit wird oftmals auch als eine Chance für mentale Entwicklung oder als Gelegenheit gesehen, sich auch mal anderen Lebensbereiche zu widmen. Sie kann Raum für Reflexion und persönliche Entwicklung bieten. Doch das passiert nicht immer. Nicht selten dient das Gefühl von „ich komm ganz gut klar“ eher als Schutzmechanismus. Die Aufmerksamkeit verschiebt sich auf andere Lebensbereiche, was zunächst gesund ist, aber die eigentliche Verarbeitung wird dadurch oft ausgelassen.
Der schmale Grat: Was ist echte Akzeptanz und was ist unbewusstes Verdrängen?
Deshalb ist es so wichtig, die Ausfallzeit nicht nur körperlich zu nutzen, sondern auch mental zu begleiten. Wer in dieser Phase bewusst verarbeitet, reflektiert und unterstützt wird, minimiert das Risiko, später psychisch aus dem Gleichgewicht zu geraten und kann stabiler zurückkommen.
Doch was beeinflusst die psychische Verarbeitung einer Verletzung?
Wie eine Verletzung mental verarbeitet wird, hängt von vielen Faktoren ab und sollte immer im Gesamtkontext betrachtet werden. Wichtige Faktoren sind:
- Art der Verletzung oder Erkrankung (akut vs. schleichend, sichtbar vs. „unsichtbar“)
- Verletzungshergang
- Dauer der Ausfallzeit
- Zeitpunkt im Trainings- oder Wettkampfjahr
- Vorverletzungen oder Verletzungshistorie
- Alter und Entwicklungsstand
- Geschlecht
- Karrierephase (z. B. Sichtung, Wechsel, Turniervorbereitung)
- Persönlichkeit & Copingstrategien
- Unterstützung durch das soziale Umfeld
Diese Faktoren wirken sich auf Motivation, Zuversicht und mentale Stabilität bei der Rückkehr aus und sollten individuell berücksichtigt werden.
Emotionaler Umgang mit dem Verletzungsbeginn
Unmittelbar nach dem Verletzungsgeschehen geht es zunächst nicht um Analyse – sondern um emotionale Begleitung. Wut, Frust, Angst oder Enttäuschung brauchen Raum. Erst danach kann die eigentliche mentale Verarbeitung beginnen.
Ein mögliches Modell nachdem der Umgang ablaufen kann: das Triple-A-Prinzip:
- Akzeptieren: Die Situation annehmen
- Analysieren: Was war, was ist, was braucht es?
- Abhaken: Den Blick wieder nach vorn richten
Wie lange dieser Prozess dauert, ist individuell unterschiedlich. Wichtig ist, dass er stattfindet und in der Rehaphase Platz findet und immer wieder reflektiert wird. Besonders entscheidend ist am Ende das Vertrauen in den eigenen Körper, den Prozess und den Wiedereinstieg zu haben.
Die Begleitung von verletzten Sportler:innen stellt auch das Umfeld vor Herausforderungen. Wie unterstützt man ohne zu überfordern? Was hilft und was eher nicht?
Hilfreich sind zum Beispiel:
· Offen fragen, was gebraucht wird
· Zuhören statt vorschnell motivieren
· Raum geben für Unsicherheit
· Keine unrealistischen Erwartungen formulieren und vorsichtig mit Erwartungen sein – überzogene oder zu früh geäußerte Erwartungen können zusätzlich unter Druck setzen und hemmen die Selbstwirksamkeit
· Rückmeldung einholen statt interpretieren („Fühlt sich das für dich gut an?“ statt „Das sah doch super aus!“)
· Rückkehrziele gemeinsam realistisch planen
Wer mental begleitet wird, kann die Reha nicht nur körperlich, sondern auch emotional nutzen. Durch Reflexion, gezielte Gespräche und mentale Techniken kann das Vertrauen systematisch aufgebaut werden. So sinkt das Risiko, im Wettkampf plötzlich zu zweifeln oder Angst vor einer erneuten Verletzung zu entwickeln.
Alisha Lenz, M.A. Angewandte Sportpsychologie
Tätig für mentaltastic