Hamstring-Verletzungen: Warum sie so hartnäckig sind – und wie du sie verhindern kannst

Hamstring-Verletzungen: Warum sie so hartnäckig sind – und wie du sie verhindern kannst

Hamstring-Verletzungen gehören zu den frustrierendsten Sportverletzungen überhaupt. Warum? Weil sie oft langwierig sein können – und häufig auch wiederkehren. Wenn Du jemanden siehst, der sich nach einem Sprint mit schmerzverzerrtem Gesicht den hinteren Oberschenkel hält, weißt du: Das wird vermutlich eine längere Sportpause nach sich ziehen. Und wenn es dich selbst schon einmal erwischt hat, dann weißt du: Es steht dir ein langer Weg mit Reha und Training bevor, bevor du deinen Sport wieder uneingeschränkt ausüben kannst – ohne Angst vor einem Rückfall. Genau deshalb ist Prävention so wichtig. In diesem Artikel stellen wir dir effektive Strategien und Übungen zur Vorbeugung von Hamstring-Verletzungen vor.

Warum die Hamstrings so wichtig sind

Viele wissen es, denn der oft gebrauchte deutsche Name "Beinbeuger" verrät es schon: Die Hamstrings beugen das Knie. Aber sie haben noch eine zweite, entscheidende Funktion – sie strecken die Hüfte. Diese Kombination (Kniebeugung + Hüftstreckung) ist vor allem für das Schwungbein beim Sprinten von zentraler Bedeutung. Insbesondere die exzentrische Kontrolle, also das Abbremsen der explosiven Schrittbewegung nach vorn, um damit den nächsten Schritt einzuleiten, ist wichtig. Die Hamstrings müssen dein Bein kontrollieren, wenn es sich nach vorne bewegt (Hüftbeugung und Kniestreckung), und dann blitzschnell die Gegenbewegung einleiten – also strecken und beugen. Der Musculus Biceps femoris, der äußere Anteil der Hamstrings, ist dabei besonders häufig verletzt, weil er genau bei dieser Übergangsbewegung unter maximaler Belastung arbeiten muss – und das aus einer gedehnten Position heraus.

Die Magie des exzentrischen Trainings

Beim Krafttraining denken die meisten an Muskelkontraktion – also das Verkürzen eines Muskels, auch konzentrische Bewegung genannt. Exzentrische Bewegung ist das Gegenteil: Der Muskel wird unter Belastung verlängert. Nehmen wir den Bizeps-Curl als Beispiel: Wenn du den Arm beugst, wird der Bizeps verkürzt – konzentrisch. Senkst du das Gewicht wieder kontrolliert ab, verlängert sich der Muskel unter Spannung – das ist der exzentrische Teil.

Übungen mit exzentrischem Fokus ermöglichen es, höhere Widerstände zu nutzen, weil du nicht gegen das Gewicht anarbeiten musst, sondern es kontrolliert „nachgibst“. Genau hier liegt der Schlüssel zur Verletzungsprävention bei den Hamstrings. Und es gibt eine Übung, die dabei besonders hervorsticht: Der Nordic Hamstring Curl.

Der König der Hamstring-Prävention: Nordic Hamstring Curl

Die Wissenschaft ist sich einig: Wer Hamstring-Verletzungen verhindern will, sollte Nordic Hamstring Curls regelmäßig in sein Training einbauen. Die offiziellen Leitlinien der American Physical Therapy Association führen genau eine Übung als Level-A-Empfehlung zur Prävention von Hamstring-Verletzungen auf – und das ist der Nordic Curl.

Eine Metaanalyse von 15 Studien hat gezeigt: Wer diese Übung konsequent durchführt, kann sein Verletzungsrisiko um satte 51 % reduzieren. Warum das funktioniert? Weil der Nordic Curl deine Hamstrings bei hoher Belastung in der verlängerten Position stärkt – genau in der Position des häufigsten Verletzungsmechanismus 

Exzentrisches Ungleichgewicht als Risikofaktor

Natürlich ist der Nordic Hamstring Curl kein alleiniges Allheilmittel: Generell ist Krafttraining, welches exzentrisch orientierte Übungen beinhaltet, die wohl wichtigste Säule der Prävention von Muskelverletzungen. Ein Kraftungleichgewicht von mehr als 20 % (exzentrische Kraft der Hamstrings vs. konzentrische Kraft der Quadrizeps) erhöht laut aktueller Studienlage das Risiko für Hamstring-Verletzungen um das Vierfache. Die Erklärung: Die Hamstrings sind schlicht überfordert, die extremen Kräfte, die beim Sprinten wirken zu kontrollieren.

Die Lösung ist aber natürlich nicht „schwächere Quads“, sondern stärkere Hamstrings!

Warum Dehnen nicht gleich Schutz bedeutet

Viele Sportler dehnen vor dem Spiel passiv ihre Hamstrings – klassisch: Vorbeugen und Zehen berühren. Studien zeigen jedoch: Diese Dehnungen reduzieren das Verletzungsrisiko nicht. Interessanterweise zeigt sich jedoch, dass mehr Quadriceps-Flexibilität mit einem geringeren Risiko für Hamstring-Verletzungen einhergeht. Gezieltes Training zur Verbesserung der Quadriceps-Mobilität, z.B. Kniebeuge über den vollen Bewegungsradius, sind also zu empfehlen.

Was wirklich hilft: Ein gezieltes Warm-Up

Sprints sind hochintensive Bewegungen – und dein Körper muss darauf vorbereitet sein. Ein gutes Aufwärmen hilft, die Muskeln auf genau diese Belastungen einzustellen. Das bedeutet: Eine systematische Steigerung der Intensität, statt langwieriger statischer Dehnungen. Dies beinhaltet insbesondere das klassische Lauf-Abc sowie progressive Antritte, Abstoppen und Richtungswechsel.

Diese Drills fördern Bewegungskontrolle und gewöhnen den Körper an die Explosivität der darauffolgenden Belastung im Spiel.

Sportartspezifisches Training – trainiere, wie du spielst

Viele Teamsportler, etwa im Fußball oder Basketball, trainieren insbesondere in der Off-Season mit langen Dauerläufen – obwohl der Sport vor allem aus kurzen, intensiven Intervallen besteht. Eine Studie im Australian Football zeigte: Teams, die ihr Training sportartspezifisch auf anaerobe Intervalle umstellten, konnten die Zahl der Hamstring-Verletzungen deutlich senken.

Fazit: Prävention ist der beste Schutz

Der beste Weg, mit Hamstring-Verletzungen umzugehen, ist es, sie gar nicht erst entstehen zu lassen. Exzentrische Kräftigung, allen voran der Nordic Hamstring Curl, ist dabei das wirksamste Mittel. Wenn du ihn mehrmals pro Woche machst, kannst du dein Verletzungsrisiko um über 50 % senken. Eine gute Beweglichkeit der vorderen Oberschenkelmuskulatur kann langfristig helfen, das Dehnen der Hamstrings bringt dagegen wenig. Und letztlich gilt: Trainiere so, wie du spielst – also mit der richtigen Intensität, den passenden Belastungen und gezieltem Fokus auf spielnahe Bewegungsmuster.

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